Daten und Wissenswertes über Senegal
 

Hauptstadt: Dakar
Einwohner: ca. 12,8 Mio. (D: 82,6 Mio.)
Lebenserwartung: 56 Jahre (D: 79 Jahre)
Geburten / Frau: 4,86
Kindersterblichkeit: 59 von 1000 (D: 5 von 1000)
Brutto-Einkommen pro Jahr: 820 USD (D: 38.860 USD) pro Kopf
Alphabetisierung: 39 % (Frauen: 29 %)
Arbeitslosigkeit: 48 %
Landessprache: Französisch, Wolof u. a.
Religion: Islam 94 %, Christen 4 % u. a.


(Informationen zitiert aus Andrea Ehben, Entwicklungsmöglichkeiten peripherer Räume durch Dezentralisierung höherer Bildung am Beispiel der Region Tambacounda/Senegal; http://www.afrika-macht-schule.de/images/stories/Berichte/diplehben.pdf, zugegriffen am 01.11.2010)

Staatsgebiet
Das Staatsgebiet der Republik Senegal liegt im Westen Afrikas und erstreckt sich zwischen 12° bis 17° nördlicher Breite und 11° bis 17° westlicher Länge. Mit 196.712 km² (AUSWÄRTIGES AMT, 2005) ist das Gebiet knapp halb so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Neben einer Küste von rund 500 km Länge hat das Land fünf Nachbarstaaten. Im Norden grenzt es an Mauretanien, im Osten an Mali, im Süden an Guinea und Guinea-Bissau und außerdem umschließt es im Bereich des Gambia- Flusses auf einer Länge von ca. 475 km Gambia. Mit den Nachbarstaaten herrscht ein reger personeller und kultureller Austausch, zumal die in der Kolonialzeit entstandenen heutigen Grenzverläufe Territorien von Ethnien durchschneiden.

Bevölkerung
Die Bevölkerung des seit 1960 unabhängigen Landes wird auf ca. 11,1 Mio. geschätzt, wovon über 2,5 Mio. in der Hauptstadt Dakar im Westen des Landes leben. Im Durchschnitt zählt man allerdings nur 53 E./km² (AUSWÄRTIGES AMT, 2005) im Vergleich zu 231 E./km² in der Bundesrepublik Deutschland (STATISTISCHE ÄMTER DES BUNDES UND DER LÄNDER, 2005) (vgl. Abb.2). Mit 58 % ist der Anteil der Bevölkerung unter 20 Jahren sehr hoch, sodass das Bildungssystem an eine große Schicht von potenziellen Schulbesuchern angepasst werden muss. Im Senegal leben ca. 20 ethnische Gruppen, die sich teilweise nochmals untergliedern. Dabei sind die Wolof, Serer, Peul, Diola, Toucouleurs, Mandinque und Soninké besonders bedeutend. Dementsprechend werden neben der offiziellen Amtssprache Französisch die Nationalsprachen Wolof, Serer, Pulaar, Diola, Malinke und Soninké sowie andere gesprochen. Dies erschwert den einheitlichen Unterricht in einer Nationalsprache.

Entwicklungsstand
Bezüglich der internationalen Entwicklungskategorien wird der Senegal den Most Seriously Affected Countries (MSAC) zugeordnet. Das heißt, zusätzlich zu den Kriterien, die eine Zuordnung zu den „am wenigsten entwickelten Ländern“ (LDCs) zulassen, ist der Senegal auch von den Ölkrisen der 70er Jahre besonders stark betroffen.
Kriterien für ein LDC sind
- niedriges Volkseinkommen (weniger als US$ 900 Bruttosozialprodukt pro Kopf),
- geringe Entwicklung des „menschlichen Kapitals“ (gemessen an einem Index verschiedener Indikatoren aus den Bereichen Gesundheit, Ernährung und Bildung sowie Lebenserwartung oder Alphabetisierung),
- Anfälligkeit der Wirtschaft (gemessen an einem Index verschiedener Indikatoren, wie ökonomische Instabilität, unzureichende Diversifikation der Wirtschaft und kleine Staatsgröße) (REGIONALES INFORMATIONSZENTRUM DER VEREINTEN NATIONEN, o.J.).
Die Anfälligkeit der Wirtschaft ist durch ihre Monostruktur bedingt. Der Landwirtschaftssektor des Senegals, in dem laut FISCHER (2004, S. 387) 73 % der Bevölkerung beschäftigt sind, ist auf den Export von Nahrungsmitteln (42 %) und dabei insbesondere von Fisch und Fischprodukten sowie Erdnüssen und Erdnussprodukten konzentriert und stark von den Weltmarktpreisen abhängig. Die Abhängigkeit des senegalesischen Handels von Frankreich ist mit 27 % des Imports (gefolgt von Nigeria mit 19 %) und 18 % des Exports (vor Italien mit 12 %) extrem. Das bedeutet, dass auch der sekundäre Sektor instabil ist, zumal das Außenhandelsdefizit auf 566 Mio. Euro beziffert wird (AUSWÄRTIGES AMT, 2005).
Auch bei der Einstufung durch den HDI liegt der Senegal mit Rang 157 von 177 bewerteten Ländern auf einer hinteren Position. Dieser Index bezieht folgende Indikatoren ein:
- Die Langlebigkeit wird durch die Lebenserwartung bei der Geburt bemessen und liegt im Senegal bei 55,7 Jahren.
- Der Bildungsstand wird anhand der Alphabetisierungsrate der Erwachsenen, die 39,3 % beträgt, und der durchschnittlichen Einschulungsrate, die sich auf 40 % beläuft, ermittelt.
- Der Lebensstandard bemisst sich am Pro-Kopf-Einkommen, das im Senegal bei 1,648 US$ liegt. Insgesamt wird der Senegal zu den gering entwickelten Ländern gezählt (UNPD, 2005, S. 221).

Bildung
Artikel 8 der senegalesischen Verfassung garantiert den senegalesischen Staatsbürgern unter anderem ein Recht auf Bildung im Rahmen der gesetzlich festgelegten Richtlinien. „La République du Sénégal garantit à tous les citoyens les […] droits collectifs suivants : […] le droit à l’éducation […]“ (o.A., 2001, S. 2). Die Artikel 21 bis 23 der Verfassung bilden das Kapitel Bildung („Education“). Darin werden der Staat und die öffentliche Hand verpflichtet, Bedingungen und öffentliche Einrichtungen zu schaffen, die eine Bildung der Kinder gewährleisten. Der Bildungsauftrag des Staates ist durch öffentliche Schulen wahrzunehmen. Alle Kinder haben ein Recht auf den Zugang zu einer Schule, ungeachtet des Geschlechts, an jedem Ort innerhalb der Staatsgrenzen. Aber auch weitere Institutionen und religiöse Einrichtungen werden als Organe zur Vermittlung von Bildung anerkannt. Jegliche Einrichtung, ob öffentlich oder privat, hat die Verpflichtung, ihre Mitglieder zu alphabetisieren und sich dadurch an den öffentlichen Anstrengungen zur Alphabetisierung auf einer der Landessprachen zu beteiligen (ebd., S. 4). Die Bildung ist folglich Staatsziel im Senegal und muss sich an den in der Verfassung gestellten Ansprüchen messen lassen.

Die historische Entwicklung des Bildungssystems
Die Entwicklung des Bildungssystems des Senegals weist viele Parallelitäten zu Entwicklungen in anderen afrikanischen, insbesondere frankophonen Staaten auf. Dies ist begründet in der gemeinsamen kolonialen Vergangenheit und den daraus resultierenden Voraussetzungen für eine Weiterführung des Bildungssystems. Daher wird in Teilen neben der senegalesischen Entwicklung des Bildungssystems auch auf die Entwicklung im afrikanischen Kontext eingegangen.

Die präkoloniale Phase
Die Geschichte des Bildungssystems beginnt nicht erst mit der Kolonialperiode, sondern bereits in der präkolonialen Phase. Da die indigene Erziehung und Schulung wenig Einfluss auf die heutige Form des Bildungswesens hat, wird sie an dieser Stelle weitgehend vernachlässigt. Trotzdem sind die traditionelle Prägung der Bildung und ihre Potenziale für die weitere Entwicklung des Bildungssystems von Bedeutung und sollten wieder mehr berücksichtigt werden. Hierzu wäre eine gesonderte Untersuchung wünschenswert.
Im 15. Jahrhundert verbreiteten vor allem europäische Jesuiten und Benediktiner in Afrika südlich der Sahara ein Schulsystem, das als Vorläufer des heutigen gelten kann. Mit Hilfe dieses Systems und den europäischen Sprachen glaubten sie, die Lehre des Christentums am effizientesten etablieren zu können (AJAYI, 1996, S. 13 ff.).
'Im Mittelalter entwickelten sich neue Formen der höheren Bildung, die indigene afrikanische Elemente, wie Oralität und Esoterik, beinhalteten. Dieser Ansatz wurde im 17. Jahrhundert durch die wissenschaftliche Revolution erstickt, die mit der industriellen Revolution einherging. Im 19. Jahrhundert wurde dann die Bildung besonders den Bedürfnissen des Militärs aber auch der Ökonomie angepasst (ebd., S. 26).

Die koloniale Phase
Während des Kolonialismus’ wurde das Bildungssystem der Kolonialmacht ohne Assimilation an die speziellen Voraussetzungen und Bedürfnisse in der Kolonie installiert. Im Falle des Senegals wurde das französische System originalgetreu übernommen. Ein Beitrag der afrikanischen Gesellschaft war unerwünscht, da das Primärziel der höheren Bildung die Bereitstellung von Beamten war, die in der kolonialen Administration für einen klar umrissenen Tätigkeitsbereich benötigt wurden. Aus diesem Grund wurden ausschließlich Inhalte und Strukturen mit einem europäischen Hintergrund vermittelt, die in einer großen Distanz zum vorhandenen Sozialgefüge standen. So wurde beispielsweise ein besonderer Wert auf die literarisch-sprachliche Ausbildung gelegt und die naturwissenschaftlich-technische wurde stark vernachlässigt. Eine solche theorieorientierte Bildung konnte nicht zu gesellschaftlicher und sozialer Entwicklung führen, sondern diente ausschließlich der Stärkung der kolonialen Strukturen (GBOGBO, 1986, S. 158). Im Jahre 1817 wurde die erste französische Volksschule (Ecole Primaire) in der damaligen Hauptstadt Saint-Louis gegründet. Die erste weiterführende Schule im Sinne der heutigen Collèges folgte 1884 (FUCHS, 1996, S. 35). Zunächst wurden Collèges und Universitäten errichtet, die sich an den begrenzten Bedürfnissen der Kolonialmächte orientierten. Erst im Jahre 1919 entstand die erste vollständige Sekundarschule, in der man den Abschluss ablegen konnte, der zu einem Studium berechtigte. Allerdings war zu dieser Zeit ein Studium lediglich außerhalb des Landes, insbesondere in Frankreich möglich, da im Senegal noch keine Hochschule existierte (ebd.).

Die postkoloniale Phase
1960 betrug die Einschulungsrate an Hochschulen auf dem afrikanischen Kontinent 0,9 % eines Jahrgangs. Gleichzeitig lag die Analphabetenquote bei 70 bis 90 % der Bevölkerung (GBOGBO, 1986, S.77). Im Senegal waren im Jahr 1961 89,6 % der männlichen und 98,9 % der weiblichen Bevölkerung über 15 Jahre nicht des Lesens und des Schreibens mächtig (STATISTISCHES BUNDESAMT (Hrsg.), 1993, S. 43).

Quantität als Primärziel
In den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts galt die Quantität als Primärziel. Beispielsweise wurde während der Konferenz der afrikanischen Erziehungsminister 1961 in Addis Abeba in Äthiopien das Ziel festgesetzt, 20% der Jugendlichen, die den Sekundarbereich verlassen, eine Hochschulbildung zu ermöglichen. Daraufhin kam es zu enormen Steigerungen der Einschulungszahlen auf allen Ebenen (GBOGBO, 1986, S. 78). In Dakar stieg die Zahl der Studierenden innerhalb von zehn Jahren von 95 auf 4.163 (AJAYI, 1996, S. 89). In ganz Afrika verfünffachte sich die Zahl der Studierenden in den Jahren zwischen 1965 und 1981. Die Zuwächse im Grundschulbereich waren noch gravierender, sodass die Ausbildung des Lehrpersonals den Zuwächsen der Schülerzahlen nicht folgen konnte. Eine Schüler-Lehrer-Quote von 58:1 im Primarbereich und 35:1 im Sekundarbereich war die Folge (STATISTISCHES BUNDESAMT (Hrsg.), 1993, S. 44). Dabei blieben die Qualität und die inhaltliche Ausrichtung an Standards der Industrieländer orientiert, erreichten diese aber nur eingeschränkt. In vielen Hochschulen überstieg die Anzahl der Studierenden die Kapazitäten der Infrastruktur und des Personals. Die Bedingungen konnten kaum eine adäquate Bildung zulassen.

Die Position der Mädchen und Frauen
Nach der Erlangung der Unabhängigkeit rückte die Situation der Mädchen und Frauen verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses. Viele generelle Programme und einzelne Projekte zielen inzwischen auf die Stärkung der Position von Frauen und Mädchen im Bildungsbereich ab. Dies wirkt sich vor allem auf dem Grundbildungsniveau aus. Auf der Ebene der höheren Bildung konnten nur unzureichende Resultate erzielt werden (GBOGBO, 1986, S. 83). Immer noch sind Mädchen und Frauen in der höheren Bildung stark unterrepräsentiert (SOW-SIDIBE, 1995, S. 127 ff.).

Die Dezentralisierung
Anfang der 1960er Jahre waren die Verhältnisse günstig, um dezentrale regionale Einrichtungen der höheren Bildung zu konzipieren. Die neuen Regierungen beschränkten sich jedoch auf die Übernahme und Kontrolle der vorhandenen kolonialen Strukturen. Nach der Afrikanisierung der politischen und administrativen Verwaltungsposten sahen die Staatsführungen kaum Bedarf einer weiterführenden Afrikanisierung oder Regionalisierung (AJAYI, 1996, S. 95). Im Senegal wurde erst im Jahre 1991 ein Bildungsgesetz verabschiedet, in dem die Senegalisierung und Afrikanisierung vorgeschrieben wurde (FUCHS, 1996, S. 35).

2. Das Bildungssystem - Das öffentliche (französische) Bildungssystem
Das derzeitige öffentliche Bildungssystem des Senegals entspricht weitgehend dem französischen Vorbild. Folgende Angaben bezeichnen den standardisierten Ablauf einer schulischen Laufbahn. Allerdings ist davon auszugehen, dass jeder einzelne Aspekt auch in abgewandelter Form vorkommt. Hier liegt also eine weitgehende Generalisierung vor. Offiziell besteht für Kinder im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren eine Schulpflicht. Die Einhaltung dieser Pflicht wird jedoch kaum kontrolliert, und ein Verstoß gegen diese Vorschrift wird selten geahndet.

Vorschulische Einrichtungen
Kinder im Alter von drei bis sieben Jahren besuchen Einrichtungen, die in verschiedenen Variationen existieren. Die Abgrenzungen zwischen Cases des tout-petits, Ecoles maternelles, Garderies communautaires und Garderies privées sind unscharf (ACADEMIE DE TAMBACOUNDA, 2005, S. 5).

Primarschulen
Im Alter von sieben Jahren werden die Kinder in eine Primarschule eingeschult, die sechsstufig ist. Dort werden sie in den Hauptfächern (Disciplines Elémentaires) Lesen, Schreiben, Rechtschreibung (nach zwei Jahren zu Französisch zusammengefasst) und Rechnen unterrichtet. Des Weiteren erhalten sie Unterricht in Sachkunde (Etudes de Milieu), die Heimatkunde, Geschichte und Geographie umfasst. Die künstlerische Lehre schließt Gesang, Gedichte und Kunsterziehung ein. Neben Sport und Hauswirtschaftslehre werden schließlich die Fächer Moral- und Gesundheitslehre unterrichtet (Education Moral / Sanitaire). Der Unterricht findet grundsätzlich in französischer Sprache statt (FAYE: Gespräch vom 21.04.2005). Die Grundschule kann im Alter von dreizehn Jahren mit dem „Cértificat de Fin d’Etudes Elémentaires“ (CFEE) abgeschlossen werden. Die Schüler, die dieses Zertifikat erreicht haben, können sich der Auswahlprüfung zum Eintritt in den Sekundarbereich stellen. Wird diese Prüfung nicht bestanden, sind die Schüler nicht berechtigt, ein Collège zu besuchen. Sie wiederholen die sechste Klasse oder wechseln auf eine private Schule. Die verbleibende Mehrheit bricht ihre schulische Ausbildung zu diesem Zeitpunkt ab (FUCHS, 1996, S. 34 ff.).

Sekundarschulen
Auf das Ecole Primaire folgt die insgesamt sieben Jahrgänge umfassende Sekundarschule. Diese ist wiederum unterteilt in die Sekundarstufe I, die vier Jahre umfasst und Collège genannt wird, und die Sekundarstufe II, die drei Jahre beansprucht und den Namen Lycée trägt. Den numerisch größten Teil der Sekundarschulen machen die allgemein bildenden Schulen aus. Hier werden die Fächer, die in der Grundschule unterrichtet werden, vertieft. Hinzu kommt bei Eintritt in die Sekundarstufe eine Sprache, wie Englisch oder Deutsch. Nach zwei weiteren Jahren tritt eine weitere Sprache, wie Spanisch, Portugiesisch, Russisch oder Arabisch, hinzu. Des Weiteren ergänzt Physikunterricht den Lehrplan und Mathematik ersetzt Rechnen. Die Fächer Schreiben, Lesen und Rechtschreibung werden durch Französisch ersetzt, das Unterricht in Literatur und Grammatik enthält (FAYE: Gespräch vom 21.04.2005). Neben dem allgemein bildenden Zweig gibt es aber auch die Möglichkeit, den lehrerbildenden oder berufsbildenden Zweig zu besuchen. Die Sekundarstufe I wird durch das „Brevet de Fin d’Etudes Moyennes“ (BFEM) abgeschlossen. Dieser Abschluss berechtigt zum Besuch einer Einrichtung der Sekundarstufe II. Allerdings werden hier wiederum nicht alle Bewerber aufgenommen, sodass erneut viele Schüler ihre schulische Ausbildung abbrechen müssen. Weitere Probleme im Zusammenhang mit der Erreichbarkeit von schulischen Einrichtungen auf allen Ebenen, die limitierend wirken, werden an anderer Stelle erörtert. In der Sekundarstufe II kann sich ein jeder Schüler spezialisieren und Fächer nach Wahl vertiefen. Das abschließende „Baccalauréat“ entspricht dem deutschen Abitur und kann mit unterschiedlichen Schwerpunkten, wie beispielsweise Sprachen und Gesellschaftswissenschaften, Naturwissenschaften oder Technik und Handel abgelegt werden. Ein bestandenes Baccalauréat berechtigt zum Besuch einer Hochschule (FUCHS, 1996, S. 34 ff.).

Dezentralisierung
Im März 1996 wurde das Gesetz zur Dezentralisierung „Loi sur la décentralisation“ verabschiedet. Kernpunkt dieses Gesetzes ist der Kompetenztransfer von Institutionen in der Landeshauptstadt Dakar auf meistenteils neu geschaffene Stellen in den elf Regionen. Auch das Bildungswesen ist von Inhalten des Gesetzes betroffen. So wurde die Zuständigkeit für die Grundschulen den Communautés Rurales beziehungsweise den Communes und die Zuständigkeit für die Collèges und die Lycées den Regionen übertragen. Sie übernehmen nun Aufgaben, wie die Zugangsregelung, die Instandsetzung, die Ausstattung, die Personaleinstellung aber auch die Versorgung mit Wasser und Strom. Die Schulaufsicht liegt für die Grundschulen bei den auf Départementsebene agierenden Inspektionen (IDEN) und bezüglich der Collèges und Lycées bei den Inpections d’Académie (IA) (o.A., 1996, S. 13 ff.). Um ihre Aufgaben wirksam wahrnehmen zu können, wird den zuständigen Stellen auf lokaler beziehungsweise regionaler Ebene ein so genannter „Fonds de Dotation“ von staatlicher Seite zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2004 belief sich die bereitgestellte Summe auf acht Millionen Franc-CFA (ca. 12.200 Euro). Hierbei besteht laut Verantwortlichen der Lehrerausbildungsstätte EFI bedauerlicherweise das Problem des Missbrauchs und der Veruntreuung. Als Gegenmaßnahme wird die Abgabe der finanziellen Mittel an die IDEN direkt vorgeschlagen. Da die Mittel zurzeit selten bei den Empfängern ankommen, liegt es letztlich doch in Händen staatlicher Stellen, die Probleme einer Lösung zuzuführen (SY & KÉBÉ: Gespräche vom 27.04.2005). Um die Dezentralisierung angemessen auf allen Bildungsniveaus umsetzen zu können, bedarf es entsprechender Strukturen. Da bislang das Grundbildungssystem unzureichend ausgeprägt ist, sind auch die Ebenen der sekundären und tertiären Bildung mangelhaft entwickelt. Eine höhere Einrichtung ist stets von dem Unterbau abhängig, der durch untergeordnete Institutionen gebildet wird. Daher besitzt von staatlicher Seite der Ausbau der Grundbildung Priorität. Höhere Bildung ist besonders kostenintensiv und wird demgemäß nur eingeschränkt gefördert (ebd.).

Unterrichtssprache
Ein weiteres bekanntes Problem ist die Unterrichtssprache. Neben dem Unterricht in französischen Sprache besteht seit ca. vier Jahren in ausgewählten Schulen die Möglichkeit am Unterricht in einer der Nationalsprachen teilzunehmen. Sollte sich der Modellunterricht bewähren, so ist geplant, zukünftig die ersten drei Unterrichtsjahre in einer der Nationalsprachen durchzuführen und darauf folgend den französischen Unterricht zu integrieren. Bislang besteht das Problem, gleichzeitig mit einer Fremdsprache die inhaltlichen Grundlagen derweiteren Fächer erlernen zu müssen. Der Unterricht in französischer Sprache hemmt die Potenziale der Schüler. Allerdings haben die Schulen, die Unterricht in den Nationalsprachen durchführen, Schwierigkeiten eine ausreichende Anzahl an Schülern für ihre Pilotklassen zu gewinnen. Die Eltern befürchten Komplikationen für ihre Kinder, wenn diese nach der Primarbildung ein Collège besuchen wollen. Sie rechnen mit unzureichenden Kenntnissen der französischen Sprache, die eine Fortsetzung des Bildungswegs erschweren könnten. Da von Regierungsseite wenige Informationen ausgegeben werden, besteht eine Verunsicherung unter den potenziellen Teilnehmern an den Pilotprojekten (ebd.). Außerdem fehlt es an didaktischem Material, um Unterricht in den Nationalsprachen durchführen zu können. Allerdings stellt sich das Problem vorwiegend auf Primarschulniveau. Wurde das Sekundarschulniveau erreicht, so sind die Französischkenntnisse ausreichend, um weitere Bildungsinhalte erlernen zu können (DAHABA: Gespräch vom 07.05.2005). Die cases de tout-petits werden hierbei als Chance gesehen, die in absehbaren Zeiträumen auf spielerische Weise den Vorschulkindern eine ausreichende sprachliche Basis vermitteln können, sodass die Sprachbarriere bei Schuleintritt minimiert werden kann.

Höhere Bildung
„L’enseignement supérieur est d’une grande importance pour l’avenir du Sénégal qui a besoin de compétences et de recherches de très haut niveau dans la participation à la réalisation des projets de développement et de croissance économique.“ Diese Aussage von C. MBAYE (1998, S. 187) verdeutlicht nochmals den Stellenwert der höheren Bildung im Senegal. Trotz dieser außergewöhnlichen Wichtigkeit setzt sie sich zurzeit aus nur vier Einrichtungen zusammen. Neben den Universitäten Gaston Berger de Saint-Louis (UGB) und Cheihk Anta Diop de Dakar (UCAD) mit der assoziierten Université technologique de Thiès, hat kürzlich das Collège Universitaire Régional in Bambey die Arbeit aufgenommen. Diese wenigen Einrichtungen können die steigende Anzahl von Studierenden kaum bewältigen. Im Senegal liegt die Anzahl der Studierenden pro 100 000 Einwohner über dem Durchschnitt Afrikas südlich der Sahara (UNESCO, 1998a, S. 42). Die große Anzahl der Absolventen, die schwierige Wirtschaftslage und strukturelle Missstände führen zu einer hohen Arbeitslosigkeit unter Akademikern, so dass die Institutionen besondere Maßnahmen entwickeln müssen, um ihren Absolventen den Einstieg in das Erwerbstätigenleben zu ermöglichen.

Das nonformale Bildungssystem
Ein wichtiges Element neben dem öffentlichen Bildungssystem stellt das nonformale Bildungssystem dar. „Die nonformale oder außerschulische Grundbildung umfasst alle organisierten und systematischen Bildungsaktivitäten, die außerhalb des formalen Schulwesens angeboten werden.“ (BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG (Hrsg.), 2004, S. 8). Dieses insbesondere im islamischen Bereich ausgeprägte System ist im Senegal sehr heterogen und kann hier nur in einigen Grundzügen erläutert werden.

Koranschulwesen
Zusätzlich zu den öffentlichen, laizistischen Schulen besteht das Koranschulwesen. Hierbei können drei Schulen, die traditionelle Koranschule, die arabische Schule und die so genannten Instituts Islamiques unterschieden werden. Generell wird der Unterricht unentgeltlich gegeben, allerdings arbeiten oftmals die Kinder als Gegenleistung für den unterrichtenden Marabout, den islamischen Gelehrten in der erstgenannten, der traditionellen Koranschule, lernen die Schüler im Alter zwischen sieben und elf Jahren den Koran auswendig, ohne den Sinn zu verstehen oder Sprachkenntnisse zu erwerben. Ab dem Alter von 14 Jahren folgen Erklärungen und Übersetzungen. Diese Stufe wird allerdings nur von etwa einem Prozent der Schüler eines Jahrgangs erreicht. Die arabischen Schulen unterrichten über das Auswendiglernen des Korans hinausgehend. Eine grundlegende Alphabetisierung in der arabischen Sprache und ein erweiterter Lehrplan sind Bestandteile der Ausbildung. Die „Instituts Islamique“ orientieren sich am öffentlichen französischen Schulsystem. So ist beispielsweise der Fächerkanon vergleichbar, allerdings um islamische Wissenschaften und Arabisch erweitert. Ähnlich dem BFEM beziehungsweise dem Baccalauréat kann ein „Brevet des Etudes Arabes“ beziehungsweise ein arabisches Abitur erreicht werden. Letzteres berechtigt zum Studium an einer arabischen Universität. Eine Sonderform dieser Instituts Islamique sind die „écoles francoarabe“. Hier können die Schüler neben arabischen auch die offiziellen französischen Abschlüsse anstreben.
(WIEGELMANN, 1994, S. 806 ff.).
Alternativ zu diesen parallel zum öffentlichen Bildungssystem laufenden Formen der Koranschulen, gibt es auch die Möglichkeit, bereits vor dem Unterricht in einer französischen Schule eine Koranschule zu besuchen. Kinder können im Alter von drei Jahren einem Marabout anvertraut werden, der sie dann innerhalb von drei Jahren den Koran lehrt. Nach dieser vorschulischen Bildung können die Kinder regulär am öffentlichen Bildungssystem teilhaben (FUCHS, 1996, S. 39). Dadurch kann die Konkurrenz zwischen Koranschulen und öffentlichen Schulen, die nicht selten ist, vermieden werden.

Alphabetisierung
Neben dem Koranschulwesen stellt die Alphabetisierung einen weiteren wichtigen Bestandteil der nonformalen Bildung dar. In vielen Teilen des Landes findet Alphabetisierung in den Nationalsprachen statt. Dabei werden neben Lesen und Schreiben alltagsrelevante Inhalte, wie Erziehung, Umwelt, Gesundheit, Politik und Wirtschaft thematisiert (ebd., S. 40). Die Alphabetisierung richtet sich vorwiegend an den Personenkreis über 15 Jahren und dabei werden insbesondere Frauen geschult. Im Jahr 2002 betrug der Anteil der teilnehmenden Frauen in der Region Tambacounda beispielsweise 75%. In der Praxis werden oft die Räumlichkeiten der örtlichen Grundschulen genutzt. Ist kein solches Gebäude vorhanden, wird unter provisorischen Überdachungen unterrichtet. Die Durchführung der Alphabetisierungskurse liegt in Händen unterschiedlichster Organisationen und Institutionen, sodass eine einheitliche Struktur nicht durchzusetzen ist (ACADEMIE DE TAMBACOUNDA, 2003, S. 27). Ohne die Einrichtungen des nonformalen Bildungssystems wäre die Zahl der Analphabeten und derjenigen, die in Gänze dem Bildungssystem fernbleiben, noch größer. Diese Einrichtungen leisten folglich einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur allgemeinen Bildung im Senegal.

Spezielle Situation von Frauen und Mädchen
In Bezug auf Mädchen haben Eltern offensichtlich häufig andere Pläne, als die Fortsetzung des Bildungsweges. In der Gesellschaft nimmt die Frau eine Rolle ein, für die in der Schule erlernte Inhalte oft nur von untergeordneter Bedeutung sind. Für ein Leben als Hausfrau und Mutter werden Kompetenzen erwartet, die in der Schule kaum vermittelt werden. Daher werden Mädchen besonders häufig frühzeitig vom Schulbesuch abgehalten. Sie erlernen im Elternhaus andere Fertigkeiten und werden als Arbeitskraft gebraucht. Auch eine frühe Heirat, die meist die Eltern bestimmen, ist häufig ein Grund dafür, ein Mädchen von der Schule zu nehmen. Nicht nur die schulische Ausbildung der Mädchen wird dadurch behindert, sondern auch ihre Gesundheit gefährdet. Allerdings ist eine Heirat nicht notwendigerweise ein Grund für den Abbruch des Bildungsweges. Es gibt auch Frauen, die nach ihrer Heirat weiterhin Schulen besuchten. Dafür ist die Zustimmung des Ehemannes nötig, die nicht selbstverständlich ist. Sowohl im Unterricht als auch in Arbeitsgemeinschaften wird die frühzeitige Heirat beispielsweise in Theaterstücken thematisiert, um sowohl die Schüler als auch die Eltern zu sensibilisieren und diese tradierte Praxis zu ändern. In den verantwortlichen staatlichen Stellen ist dies also als Problem erkannt worden und Maßnahmen, Eltern von dieser Handhabung abzubringen, wurden eingeleitet. In manchen Fällen machen die gesundheitlichen Folgen der bis heute praktizierte Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen den Besuch einer Schule unmöglich. Dies ist ein Tabuthema, welches nicht öffentlich und mit Fremden diskutiert wird. Verschiedenste Organisationen und Institutionen engagieren sich bereits für die Abschaffung der weiblichen Genitalverstümmelung. Seit dem Jahre 1999 ist sie offiziell verboten. Trotzdem wird sie weiterhin durchgeführt. Die schulische Bildung behandelt zahlreiche Inhalte, die in der Gesellschaft eher als relevant für Jungen und Männer gesehen werden als für Mädchen und Frauen. Da Männer meist das Familienoberhaupt sind beziehungsweise werden, Handel betreiben und dadurch auch häufiger das elterliche Dorf verlassen, werden Kompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen als sinnvoll erachtet. Auch die französische Sprache erscheint der Gemeinschaft in diesem Fall sinnvoll, um eine Kommunikation mit auswärtigen Geschäftspartnern betreiben zu können.Insgesamt ist die Stellung eines Jungen freier, als die eines Mädchens. Jungen können häufiger frei ihren Werdegang wählen als Mädchen, deren Zukunft von Geburt an festgelegt ist. Diese Strukturen sind für einen größeren Anteil der männlichen Heranwachsenden lockerer.